Wie dem Partner vergeben? Vergeben kann die Beziehung stärken
- Posted by Hans-Georg Lauer
- On 17. Dezember 2017
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In meinem letzten Blog ging es um das Thema „Entschuldigungen nach einer Kränkung / Verletzung in der Paarbeziehung“ Entschuldigungen und wie diese formuliert sein sollten, um den Partner zu erreichen.
Entschuldigungen in einer Paarbeziehung können, wenn Sie ehrlich gemeint und gut formuliert sind, eine sehr reinigende Wirkung haben und den Beginn eines Neuanfangs darstellen. Nicht immer ist dies jedoch der Fall. Der gekränkte oder verletzte Partner muss bereit sein, zu vergeben.
Eine Vergebung setzt häufig voraus:
- es muss genug Zeit nach der Verletzung vergangen sein
- es muss ein Versuch unternommen worden sein, die Verletzung oder Kränkung zu bewältigen
- es muss klar sein, was man vergibt
Was kennzeichnet eine Vergebung
Die Vergebung muss weder ausgesprochen noch dem Partner mitgeteilt werden. Vergeben ist kein simples Vergessen des Geschehenen. Es ist ein aktiver, innerer Akt des Verletzten, mit dem dieser das Geschehene akzeptiert. Er nimmt damit von den Vorwürfen an den Partner endgültig Abstand. Erst dadurch kann der verletzte Partner einen Neubeginn in der Partnerschaft einläuten.
Beispiel aus meiner Praxis I: mit Untreue konfrontiert werden
In meiner Praxis als Paartherapeut erlebe ich es immer wieder, dass Klienten von der Untreue ihres Partners überrascht werden. Der erlittene Vertrauensverlust wiegt schwer. Für viele bricht eine Welt zusammen. Anfänglich überwiegt zumeist die Wut auf den Partner, der fremdgegangen ist.
Ähnlich verhielt es sich bei Claudia, Innenarchitektin, 36 Jahre alt und Dirk, Verwaltungsfachmann, 39 Jahre alt. Die beiden sind seit acht Jahren verheiratet und haben eine Tochter im Alter von sieben Jahren, Julia. Nach der Geburt von Julia hatte die Sexualität deutlich nachgelassen und war nach einer Fehlgeburt komplett zum Erliegen gekommen. Die Trauer um das verlorene Kind verarbeiteten beide sehr unterschiedlich. Dirk zog sich sehr zurück, Claudia suchte bei ihren Freunden Mitgefühl und Trost. In dieser Phase verliebte sich Dirk in die ledige Klassenlehrerin seiner Tochter und begann mit ihr eine Außenbeziehung. Als Claudia durch einen dummen Zufall von der Affäre ihres Mannes erfuhr, war sie total aufgelöst und wollte die Ehe beenden. Die Wut stand im Vordergrund und dies blieb über mehrere Monate so.
Vier Monate nach Beginn der Paartherapie setzte bei Claudia der Akt des Vergebens ein. Sie hatte in der Therapie und zuhause viel über ihre Verletzung, und was das mit ihrer eigenen Biografie zu tun hatte, reflektiert. Zuvor hatten Claudia und Dirk sich schon in einigen Sitzungen über Ihre Vorwurfsdynamik ausgetauscht und einiges an Vorwürfen fallen gelassen. Es brauchte aber eine innere Reifung bei Claudia, bis sie in der Lage war, den Vorwurf loszulassen und sich innerlich zu versöhnen. Das half dann auch wieder Wiedergutmachung und Annäherungen von Seiten Dirks zuzulassen.
Untreue führt zu einem Verlust an „Glauben“, so auch bei Claudia und Dirk:
- Der Glaube an den Partner ist erschüttert. Der Partner ist auf einmal nicht mehr berechenbar und vorhersagbar. Unsicherheit macht sich bei dem Betrogenen breit.
- Der Glaube an sich selbst kann erschüttert sein. Alles, was bislang als kontrollierbar galt, wird ungewiss. Die Grenzen der eigenen Kontrolle werden deutlich aufgezeigt.
- Der Glaube an Fairness, Gerechtigkeit und an das Gute wird erschüttert. Die als sicher geglaubten Werte haben auf einmal keine Bedeutung mehr.
- Der Glaube an die Intimität der Beziehung ist verraten worden.
Wieso Vergebung schwer fällt
Dem Partner vergeben, fällt vielen schwer. Viele denken: das, was mir der andere angetan hat, hat mich so stark verletzt, da kann ich ihm nicht vergeben. Die Bestrafung der Tat steht im Vordergrund. Viele befürchten, dass sie sich mit einer Vergebung kleiner machen. Sie haben Sorge davor, nicht mehr auf Augenhöhe zu sein. Partner, die sich in einer Beziehung mit einer Vergebung schwertun, neigen dazu, dem anderen die Schuld zu geben und sich selbst frei von jedem Schuldanteil zu sehen.
Das Vergeben kann nicht unmittelbar nach der Verletzung erfolgen. Zunächst muss die Verletzung realisiert werden. Es muss ein aktiver Versuch unternommen werden, die Kränkung / Verletzung zu bewältigen.
Ein weiteres wesentliches Element von Vergebung ist Reflexion
Reflexion und Selbstreflexion sind wesentliche Voraussetzungen für eine gelungene Vergebung. Wer sich und seinen Partner von außen betrachten und reflektieren kann, spürt überhaupt erst, was in ihm verletzt wurde. Diese Erkenntnis ist eine wichtige Voraussetzung für den Akt des Vergebens.
Hilfreiche Fragen, die Sie für sich in einer Reflexion schriftlich beantworten können, sind zum Beispiel:
- welche Handlungen meines Partners führten zu der Verletzung?
- welche Werte, auf denen unsere Beziehung aufgebaut war, sind damit verletzt worden?
- welche Bedeutung möchte ich dieser Verletzung geben?
- bin ich früher schon einmal in ähnlicher Form verletzt worden?
Die Vergebung ist der entscheidende Wegbereiter für den Neubeginn
Derjenige, dem ein Unrecht widerfahren ist, beginnt mit der Vergebung seinen Blick auf den Partner zu verändern. Dem Partner vergeben heißt, von den Vorwürfen abzulassen, seien sie nun tatsächlich geäußert oder nur in Gedanken vorhanden. Er quält sich selbst nicht mehr mit dem rückwärtsgewandten Blick. Indem er vergibt, verändert er sich selbst. Er befreit sich mittels Vergebung davon, den Partner für dessen Verhalten hassen zu müssen. Dadurch erreicht er eine neue Stufe der Selbstbestimmung und Reife in der Partnerschaft.
Die positiven Folgen des Vergebens
- Vergeben hat für beide Beteiligte oft eine befreiende Wirkung.
- Die Entlastung kann darin bestehen, dass es keine Entschädigung mehr geben muss für die erlittene Kränkung oder Verletzung.
- Jeder Partner übernimmt neu Verantwortung für sein Verhalten. Der Blick kann in eine selbstverantwortliche Zukunft gerichtet werden.
Fragen an den Leser
Haben Sie schon einmal Ihrem Partner vergeben? Was hat sie letztlich motiviert, zu vergeben? Welches Gefühl stellte sich nach dem Akt des Vergebens ein? Wie schwer wiegt die Verletzung noch heute?
Geeignete Übungen
Mein Anliegen in der Paartherapie ist es, mit geeigneten Übungen / Interventionen die Bereitschaft für Entschuldigung und Vergebung zu fördern Mein Konzept
Deshalb nutze ich die Paartherapie-Sitzungen, um auszuloten, ob die Partner für diesen Prozess bereit sind bzw. was sie noch benötigen, um sich wirklich zu entschuldigen und zu vergeben.
Häufig erlebe ich, dass Paare, die durch diesen Prozess gegangen sind, sich wieder mit mehr Vertrauen begegnen und einen echten Neubeginn in der Partnerschaft anstreben.
Hans-Georg Lauer
Paartherapeut in Köln und Bonn
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