
Späte Scheidungen
- Posted by Hans-Georg Lauer
- On 16. Februar 2025
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- Kritisches Lebensereignis, Paarberatung, Paartherapeut in Bonn, Paartherapie, Scheidung, Späte Scheidung
Späte Scheidung / Scheidung nach langjähriger Ehe
Das ist nicht nur ein Phänomen, welches ich in meiner eigenen Paartherapie Praxis beobachte, auch Kollegen sprechen mich darauf an. Die Anzahl der älteren Ehepaare, die bereit sind, sich zu trennen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Späte Scheidungen kommen immer häufiger vor.
Aktuell lassen sich etwa 17 % der langjährig verheirateten Paare im Lebensalter über 60 Jahre scheiden. Vor 20 Jahren lag dieser Prozentsatz noch deutlich unter 10 %. Zu diesem Ergebnis kommen zahlreiche empirische Studien. Ältere Paare gehen häufiger den Weg der Trennung bzw nutzen die späte Scheidung. Sie lassen sich auch noch scheiden, selbst wenn sie im höheren Lebensalter sind.
Das Fachmagazin „The Journals of Gerontology” hat eine Studie der Bowling Green State University in Ohio veröffentlicht, die sich mit langjähriger Beziehung und dem Scheidungsverhalten der Menschen beschäftigt. Danach zeigt sich, dass mehr als ein Viertel der Menschen, die sich scheiden lassen über 50 Jahre alt sind. Hiervon wiederum die Hälfte der Paare nach über 20 Jahren Ehe.
Wir kennen das Phänomen Späte Scheidung aus der Welt der VIPs. So ließen sich bereits vor einigen Jahren Bill Gates und seine Frau Melinda nach über 27 Jahren Ehe scheiden. Sie galten als Vorzeigepaar, da sie über lange Jahre gemeinsame Interessen erfolgreich vertraten. Kaum jemand hätte mit einem solchen Schritt gerechnet. Ähnliches gilt für die Ehe von Thomas und Thea Gottschalk. Nach über 42 gemeinsamen Ehejahren reichten sie die Scheidung ein. Auch damit hätte wohl kaum jemand gerechnet.
In empirische Studien (z.B. Interviews mit geschiedenen Paaren, Longitudinalstudien, Datenanalysen von Scheidungsakten) werden von den älteren Paaren, die sich haben scheiden lassen, insbesondere die folgenden Gründe für ihre Trennung angegeben (Gründe für Späte Scheidung):
- Zunehmende Entfremdung
- Langanhaltende, nicht gelöste Konflikte
- Verlust von Intimität und Leidenschaft
- Neue Lebensperspektiven
- Emanzipation und finanzielle Unabhängigkeit
Zusammengefasst kann man sagen, dass es nicht den einen Grund für Späte Scheidung gibt. Emotionale Beziehungsprobleme sind aber immer mit dabei.
Hinsichtlich der Geschlechter gibt es auch Unterschiede bei Ursache und Wirkung von Scheidungen. Häufig leiden Frauen stärker unter einer angespannten Beziehung. Nach der Trennung profitieren Sie häufiger von ihrem sozialen Netzwerk und können sich wieder leichter vernetzen. Männer hingegen haben häufiger mit dem Alleinsein ein Problem. Ihnen gelingt es zum Beispiel weniger effektiv, die Scheidungsfolgen einer Späte Scheidung zu bewältigen.
In diesem Blog soll es darum gehen, wie die Situation langjährig verheirater Paare ist und wieso es trotz langjährigen Zusammenlebens zu Trennung und Scheidung kommen kann. Oftmals sind die Trennungen nicht einvernehmlich und nicht unbedingt friedlich. Die betroffenen Paare leiden unter dieser Entwicklung.
Die von Leon Festinger bereits 1957 begründete Theorie der kognitiven Dissonanz beschäftigt sich mit dem inneren Spannungszustand, der entsteht, wenn eine Person widersprüchliche Gedanken/Kognitionen in sich wahrnimmt. Der Spannungszustand wird grundsätzlich als unangenehm empfunden. Die Person ist motiviert, in einen Zustand der der kognitiven Konsistenz zu kommen. Sei es, dass sie bestrebt ist, ihre Überzeugungen zu verändern. Sei es, dass sie ihr Verhalten anpasst. Die Theorie der kognitiven Dissonanz kann nichts dazu sagen, wie lange es dauert, bis Personen ihre Überzeugungen wieder in Konsistenz bringen und es zu einer Späte Scheidung kommt.
Paare können zum Beispiel eine Strategie der Rationalisierung nutzen („ es ist besser für die Kinder, dass wir zusammen bleiben“) , um sich eine Zeit lang mit ihrem inneren Unwohlsein abfinden zu können, ohne sich sofort zu trennen. Sobald aber die Kinder aus dem Haus sind, verpufft diese Rationalisierung und die kognitive Dissonanz motiviert nun dazu, das eigene Verhalten anzupassen, sich tatsächlich zu trennen.
Eine andere psychologische Theorie, die ich an dieser Stelle für relevant halte, ist das Konzept des Commitments bzw „sunk cost“. Paare haben nach vielen Beziehungsjahren bereits stark in ihre Beziehung investiert. Sie sind emotional, sozial und teilweise auch finanziell voneinander abhängig. Diese Abhängigkeiten wirken als Barriere. Die bereits getätigten Anstrengungen will man nicht aufgeben. Man glaubt, so viel „investiert“ zu haben, dass es unvernünftig wäre, die Beziehung aufzugeben und hält trotz gegenteiliger emotionaler Erfahrungen an der Beziehung fest. Erst wenn sich dann ein kritisches Lebensereignis einstellt, sind die zusätzlichen „Kosten“ zu hoch und eine Trennung steht an.
Nach meiner Erfahrung kann man das Phänomen der späten Scheidung nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Jeder Fall eines Paares ist individuell. Jeder Fall ist leicht anders gelagert. Selbst wenn die wirkenden Kräfte teilweise ähnlich sind und wie bereits erwähnt emotionale Beziehungsprobleme immer daran beteiligt sind. Ich möchte die Situation eines langjährig verheirateten Paares anhand eines Beispiels aus meiner Praxis veranschaulichen.
Beispielhaft sei hier der Fall des Paares Jan und Claudia angesprochen. Die beiden sind seit über 30 Jahren ein Paar, seit 26 Jahren miteinander verheiratet, haben zwei erwachsene Kinder und sind beide berufstätig. Jan und Claudia kamen zu mir in die Praxis, da sie über die letzten Jahre unter einem konflikthaften Miteinander gelitten haben und die Intimität zum Erliegen gekommen ist. Jan, 61 Jahre, ist ein IT Fachmann, der in einem größeren Konzern als Projektleiter gearbeitet hat. Claudia, 59 Jahre, eine Physiotherapeutin, die als Angestellte in einer kleineren Praxis tätig ist. Bis zum Abitur arbeitete sie in Teilzeit um danach in Vollzeit zu wechseln.
Claudia fühlte sich oft von Jan nicht gesehen. Sie hatte den Eindruck, er kümmere sich nur um seinen Job und seine zahlreichen Interessen/Hobbys. Doch aufgrund des turbulenten Alltags war sie zu beschäftigt, um darüber enttäuscht zu sein. Jan wiederum hatte den Eindruck, er bekomme häufig Vorwürfe gemacht. Er fühlte sich kritisiert, obwohl er sich nach seiner Auffassung intensiv um die Kinder gekümmert hatte. Ein Gespräch zu den Kränkungen fand so gut wie nie statt. Die gemeinsamen Urlaube waren seltene Ausnahmen und verliefen zumeist harmonisch.
Erst nachdem die Kinder aus dem Haus waren, und Jan sich entschlossen hatte, ein Angebot seines Arbeitgebers zum vorzeitigen Ruhestand zu nutzen, spannte sich die Lage immer mehr an. Die Konflikte eskalierten häufiger, ohne dass die beiden effektiv in der Lage waren, Lösungen zu entwickeln. Als Claudia sich bei mir meldete, hatte sich bei Jan bereits eine Desillusionierung und Abkühlung der Gefühle eingestellt. Er konnte sich für seine neu gewonnene berufliche Freiheit begeistern, nicht mehr für die Ehe. Er glaubte auch nicht mehr daran, die Gefühle für seine Frau wieder entwickeln zu können. Nach drei Sitzungen brach er die Therapie ab und reichte die Scheidung ein. Eine Affäre oder ein neuer Partner war bei beiden nicht im Spiel.
Gesellschaftliche Trends wie Individualisierung, zunehmende ökonomische Unabhängigkeit der Ehepartner, hohe Lebenserwartung und Gesundheit bis ins hohe Alter sowie der bevorstehende Renteneintritt (kritisches Lebensereignis) spielen in der Beziehung von Jan und Claudia eine Rolle. Zwar kann sich kein Paar diesen gesellschaftlichen Trends entziehen. Sehr wohl kann man aber präventive Maßnahmen nutzen, um die Beziehung glücklich und für sich zufriedenstellend zu gestalten.
Mehr zum Thema Trennung und Scheidung nach langjähriger Beziehung finden Sie in meinem Interview aus Februar 2025 mit dem SWR (Südwestrundfunk). Hier folgt der Link zu diesem Interview.
Gerne können Sie mit mir in Kontakt treten, wenn Sie sich für dieses Thema interessieren.
Kritische Lebensereignisse und Stress
Neben der Arbeitswelt sind es insbesondere die sogenannten „Kritischen Lebensereignisse“, die zu Später Scheidung führen. Ein Kritisches Lebensereignis ist ein Ereignis, das die Lebenssituation einer Person maßgeblich verändert und zu größeren Maßnahmen der Bewältigung und Anpassung zwingt. Dies können sowohl freudige als auch traurige Ereignisse sein. Hier folgen einige ausgewählte Beispiele:
- Tod eines nahen Angehörigen
- Geburt des ersten Kindes und die ersten Jahre danach
- Eigene Hochzeit
- Kündigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses
- Schwere Erkrankung / Traumatisierung
- Hauskauf in Kombination mit hoher Verschuldung
Was Sie als Paar tun können
Als Paar sind Sie der Situation „Späte Scheidung“ nicht machtlos ausgesetzt. Um die emotionale Abwärtsspirale zu durchbrechen können Sie:
- Regelmäßig miteinander im Gespräch sein, im Kontakt bleiben trotz Stress
- Auf die Bedürfnisse Ihres Partners achten
- Sich Zeit für gemeinsame Entspannung zu zweit nehmen
- Auch mal Schwäche zeigen und Stress eingestehen
- Den Partner bei der Stressbewältigung unterstützen, z.B. stressige Denkmuster durchbrechen helfen (lesen Sie hierzu auch Mein Partner als Tankstelle oder Baustelle ).
Tauschen Sie sich offen und ehrlich mit Ihrem Partner zum Stress aus. Wenn Sie dieses Gespräch authentisch führen, muss dies keine zusätzliche Belastung für die Beziehung sein. Im Gegenteil. Nutzen Sie Ihren Partner zur Unterstützung. In einer Beziehung dürfen Sie sich auch schwach zeigen.
Sollte der emotionale Stress überhandnehmen oder ihre Stressreaktionen zur Bewältigung nicht ausreichen bzw. nicht angemessen seien, ist es an der Zeit, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen. In meiner Paartherapie lernen Sie, wie Sie mit emotionaler Distanzierung umgehen können. Ein unabhängiger Dritter kann meist deutlicher erkennen, welche Probleme und Konflikte vorliegen. Nutzen Sie meine Erfahrung als Paartherapeut in Köln und Bonn, um Späte Scheidung zu verhindern und die Stressspirale zu durchbrechen.
Hans-Georg Lauer
Paartherapeut in Köln und Bonn
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