Jobstress und Paarbeziehung
- Posted by Hans-Georg Lauer
- On 21. Juni 2018
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- Jobstress, konflikte, paartherapeut, Paartherapie, selbstwertgefühl, stress, stressspirale
Mein Partner als Baustelle oder Tankstelle (Jobstress)?
Laut aktuellen Umfragen klagen zwei Drittel der deutschen Berufstätigen über Jobstress. Sie müssen oft außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit für den Arbeitgeber zur Verfügung stehen. Das Smartphone macht es möglich. Schnell mal eine E-Mail gecheckt oder einen Termin eingeplant. Moderne Lebens-und Arbeitswelten sind stärker ineinander verwoben als wir uns das vor einer Generation geträumt haben.
Als Führungskräfte, Projektleiter und Experten stehen heute viele berufstätige Paare unter hohen Erwartungen, müssen mit Leistungsdruck umgehen und haben nur ein begrenztes Zeitbudget zur Verfügung. Gut ausgebildet wollen sie ihrer Karriere nachgehen.
Hohe Belastung für die Paarbeziehung
Für eine Paarbeziehung kann dies ganz schön belastend sein. Für den Partner bleibt oft wenig Zeit. Nach meiner Erfahrung kommen immer mehr Paare in meine Paartherapie, die unter dem zunehmenden Arbeitsstress leiden. Es ist nicht nur die reine zeitliche Taktung des Arbeitslebens. Umstrukturierungen, Changemanagement und Innovationen verändern die Anforderungen am Arbeitsplatz und können Stress erzeugen. Häufig sind sich meine Klienten dessen bewusst, finden aber keinen Ausweg. Sie möchten gerne neue Wege gehen, können es sich aber finanziell nicht leisten.
Die Partnerschaft als Baustelle
Auch den umgekehrten Fall sehe ich in meiner Paartherapie Praxis. Wer in einer ausgeglichenen Partnerschaft lebt, hat weniger Stress und wird auch seine beruflichen Anforderungen eher meistern. Wer hingegen in einer konfliktbehafteten Partnerschaft lebt, wird es im Alltag und im Berufsleben schwerer haben. Diese Konflikte resultieren nicht selten aus einer unklaren bzw. nicht akzeptierten Rollenverteilung zwischen den Partnern.
Es kommt zu Übertragungseffekten vom privaten auf das berufliche. Konflikte auf der Arbeit häufen sich aufgrund der privaten Unzufriedenheit. Leistung und Jobzufriedenheit können deutlich abnehmen. Im schlimmsten Fall kommt es zum Burn-Out.
Der Partner als Tankstelle
Wenn zwei Menschen zu einem Paar zusammenfinden, dann hat das je nach Lebensmodell und Lebensplänen Auswirkungen auf die Rollen und die damit verbundenen Aufgaben in der Beziehung und im Arbeitsleben. Viele meiner Klienten würden gerne in der Paarbeziehung auftanken und wünschen sich einen Partner als „Tankstelle“. Umgekehrt wünschen sich viele ein befriedigendes Arbeitsleben, das zu einer höheren Lebens-und letztlich auch Paar-Zufriedenheit führt. Häufig erleben diese Paare aber Baustellen sowohl im privaten wie im beruflichen.
Den mit Abstand größten Teil unserer wachen Zeit verbringen wir mit dem Beruf. Sollte der Beruf zu einer Überforderung werden, so kommt es zu einer typischen Stressreaktion. Dieser berufliche Stress wirkt sich nachweislich negativ auf die Paarbeziehung aus. Paarexterner Stress kann so schnell zu paarinternen Stress werden:
Hier ein Beispiel:
Die intensive berufliche Beanspruchung führt zu längeren Arbeitstagen und reduziert die gemeinsame Paar-Zeit. Abendtermine kommen eventuell hinzu. Selbst das Wochenende muss teilweise für berufliche Projekte geopfert werden. Unweigerlich nimmt die gemeinsame Paar-Zeit ab. Der persönliche Austausch lässt nach. Stattdessen kommt es zu vermehrter Müdigkeit und Lustlosigkeit. Der gestresste Partner bringt seinen Stress mit nach Hause und reagiert gereizter und liebloser. Schnell kann es so zu einem negativen, vielleicht sogar vergifteten Klima kommen. Kommunikation und Sex nehmen ab, die wechselseitigen Vorwürfe und Enttäuschungen nehmen zu.
Typische Muster
Wie jeder Partner mit dem Jobstress umgeht, hängt stark von seiner Familiengeschichte und den Verhaltensgewohnheiten der Beteiligten ab. Bei der Bewältigung des beruflichen Stresses in der Paarbeziehung bzw. Familie treten vor allem folgende Verhaltensweisen auf:
- Aggressives ausagieren
- Beleidigtes bzw. stilles zurückziehen
- Hilfloses jammern
- Aufopferndes bemuttern
- Echte Problemlösung
Die Stressspirale durchbrechen (Coping)
Jobstress oder Beziehungsstress – bei jedem Stressgeschehen geht es darum, drei Aspekte voneinander zu unterscheiden:
- was löst bei mir Stress aus (Auslöser)
- wie reagiere ich, wenn ich im Stress bin (Stress-Reaktion)
- was tue ich dazu, den Stress zu verstärken (Persönliche Stressverstärker)
Manche Anforderungen am Arbeitsplatz können Sie kurzfristig nicht ändern. Damit Sie den beruflichen Stress nicht in die Paarbeziehung einbringen, hilft es zu lernen, auf Ihre persönlichen Stressauslöser (typische Beispiele: Arbeitskollegen äußern Kritik an mir, ich werde in meiner Arbeit laufend unterbrochen, mein Arbeitstag beginnt bereits gehetzt) und Stressverstärker zu achten. Mehr zum Thema Stress am Arbeitsplatz finden Sie auch auf meiner Webseite Job und Karriere. Mehr Achtsamkeit im Umgang mit diesen Themen wird dazu führen, dass Sie zukünftig anders auf stressige Situationen reagieren. Es gilt die Stress-Spirale zu durchbrechen.
Typische persönliche Stressverstärker:
In meiner Praxis treffe ich häufig auf folgende stressverstärkende Denkmuster:
- Hadern mit der Realität: „Das gibt es doch nicht!“ / „Das kann doch nicht wahr sein!“
- Negative Verallgemeinerungen „Nie klappt etwas“ / „Ich bekomme das einfach nicht hin!“
- Alles sehr persönlich nehmen: „Das war gegen mich gerichtet“
- Katastrophendenken: „Ich werde scheitern“ / „Das wird nicht gut enden“
Wenn Sie auf diese typischen Denkmuster stoßen, setzen Sie sich mit diesen bewusst auseinander. Erkennen Sie diese als stressverstärkendes Denken und bauen diese ab.
Was Sie als Paar tun können
Paare sind dem Jobstress nicht machtlos ausgesetzt. Viele meiner Paare setzen sich zum Ziel, den Partner wieder als Tankstelle für Freude und Glück in der Partnerschaft zu erleben.
Um die berufliche Stressspirale zu durchbrechen können Sie:
- Auf die Bedürfnisse Ihres Partners schauen
- Bewusst Paar-Zeit einplanen
- Regelmäßig miteinander im Gespräch sein
- Haushalts-Aufgaben delegieren
- gemeinsame Planung zur Stressreduktion
Paare dürfen schwach sein
Paare tun sich zum Teil schwer, sich schwach zu zeigen und beruflichen Stress einzugestehen. Gerade bei Männern heißt es schnell: sich nichts anmerken lassen und durchhalten! Dies kann sich insoweit nachteilig auswirken, als der Partner nicht versteht, was das eigentliche Problem ist. Vorwürfe im Stil von „du verschließt dich“, „ich bekomme nichts mit von dir“ häufen sich und können die nächste Eskalationsstufe auf der Stressspirale bedeuten.
Anstatt sich ehrlich und offen über beruflichen Stress auszutauschen, hängen manche Paare der Vorstellung nach, Gespräche über Stress am Arbeitsplatz würden die Beziehung gefährden. Nach meiner Erfahrung aus vielen Paartherapien ist das Gegenteil richtig.
Spätestens wenn sich die Konflikte um den Beruf inklusive der Nebenkriegsschauplätze verselbstständigen, ist es an der Zeit, als Paar externe Unterstützung in Form einer Paartherapie in Anspruch zu nehmen. Zumeist kann ein unabhängiger Dritter sehr viel deutlicher sehen, welche Konflikte vorliegen und welche Hintergründe es gibt. Meine Erfahrung als Paartherapeut in Köln und Bonn zeigt, dass es sich lohnt, die Stress-Themen rechtzeitig anzugehen.
Hans-Georg Lauer
Paartherapeut in Köln und Bonn
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