Gehen oder in der Beziehung bleiben – gute Entscheidungen fällen
- Posted by Hans-Georg Lauer
- On 9. Februar 2018
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- Entscheidungen, Gehen oder Bleiben, paarbeziehung, paartherapeut, Paartherapie, Trennung
Wie kann ich eine Entscheidung treffen
Eine Frage, die ich häufiger als Paartherapeut gestellt bekomme, dreht sich um „gehen oder bleiben“. Zumeist ist es einer der Partner, der sich nicht sicher ist, ob er die Beziehung fortsetzen will. Es ist etwas vorgefallen, was dieser Partner nur schwer mit seinen Werten und Gefühlen in Einklang bringen kann. Er ist verletzt, aufgewühlt und stellt sich die Existenzfrage für die Beziehung. Damit wird der andere Partner konfrontiert, der sich häufig für die Option „bleiben“ entschieden hat.
Jeder, der in einer Beziehung lebt, hat wahrscheinlich schon einmal das Szenario einer Trennung durchgespielt. Das ist normal und unbedenklich. Insbesondere nach einem heftigen Streit sind viele nicht mehr bereit, die Beziehung so fortzusetzen. Oft heißt das aber noch nicht, dass sie sich wirklich trennen wollen. Ihnen geht es eher darum, die Schmerzen und Konflikte zu vermeiden und ein deutliches Zeichen zu setzen.
Wir wollen Schmerzen vermeiden
Nicht zuletzt aufgrund unseres Arterhaltungs-Triebes sind wir darauf programmiert, Schmerzen zu vermeiden bzw. bedrohlichen Situationen aus dem Weg zu gehen. Wenn wir in unserer Partnerschaft etwas erfahren, was unser Weltbild zum Wanken bringt, kann das seelische Schmerzen verursachen. Die natürliche Reaktion ist Flucht.
Auslösende Situationen können z.B. sein:
- Ihr Partner hat Ihnen offenbart, dass er Sie nicht mehr liebt
- Ihr Partner hat ein Verhältnis, welches er Ihnen verschwiegen hat
- Sie bemerken, dass Ihr Partner Sie seit längerem belügt
- Sie erleben häufig heftige Konflikte und Streits in der Beziehung
Viele stellen sich dann die Frage nach „gehen oder bleiben“. Schnell tauchen die Stichworte Trennung oder Scheidung auf. Der eine Partner ist vielleicht schon dabei, eine eigene Wohnung zu beziehen. Oft suchen Paare dann meine Paartherapie auf, um zu prüfen, ob sie der Beziehung noch eine Chance geben wollen.
Praxis-Beispiel I
So ähnlich verhielt es sich auch bei Klaus T. (kaufmännischer Abteilungsleiter, 54 Jahre) und Ingrid T. (Arzthelferin, 48 Jahre), verheiratet seit 19 Jahren, zwei Söhne im Alter von 17 und 14 Jahren, die meine Paartherapie aufsuchten. Nachdem Ingrid bereits in den letzten Wochen verunsichert war, hatte sie in einem Moment kurz vor Weihnachten etwas unternommen, was sie sonst nicht machen würde, nämlich in das Handy ihres Mannes zu schauen. Sie fiel aus allen Wolken, als sie die unzweideutigen SMS Nachrichten ihres Mannes an eine Kollegin entdeckte. Zwar wusste sie, dass von Klaus eine Anziehungskraft ausgeht, dass er aber fremdgehen würde, hätte sie ihm nicht zugetraut. Ihr Vertrauen war auf dem Nullpunkt. Die Schmerzen und die Wut riesig und sie stellte sich massiv die Frage nach „gehen oder bleiben“. Wahrscheinlich wäre sie bereits ausgezogen, wenn da nicht die zwei Söhne gewesen wären. Fremdgehen passt einfach nicht in ihr Weltbild. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie beide die Beziehung in den letzten zwei Jahren aufgrund der angespannten beruflichen Situation vernachlässigt hatten.
Ingrid hatte in den letzten Wochen unter Schlafstörungen gelitten. Sie war sehr stark mit Grübeln beschäftigt. Die Frage nach „gehen oder bleiben“ ließ ihr keine Ruhe. Sie konnte allerdings auch keine Entscheidung fällen. Sie befand sich in einer Beziehungs-Ambivalenz mit der Folge, dass sie immer gestresster wurde.
Grundsätzlich haben Sie in dieser Situation folgende Optionen:
- Bleiben und das ändern, was sich ändern lässt
- Bleiben und das akzeptieren, was sich nicht ändern lässt
- Bleiben und das aufgeben, was die Situation verschlimmert
- eine Kombination dieser Optionen
- Trennung auf Zeit
- Für immer Gehen
Entscheidungen treffen
Häufig treffen Paare in ähnlichen Situationen wie die von Klaus und Ingrid keine expliziten Entscheidungen für die eine oder andere Option. Deshalb bin ich in meiner Paartherapie bestrebt, zusammen mit dem Paar verschiedene Handlungsmöglichkeiten sowie die Vor- und Nachteile der jeweiligen Entscheidung zu erarbeiten. Dabei gilt es zu beachten, dass es zur Fortsetzung der Partnerschaft beider Partner bedarf und insoweit ein „Nein“ immer stärker als ein „Ja“ ist.
Hinter einer Entscheidungs-Ambivalenz stecken häufig konkurrierende Bedürfnisse. Bei Ingrid war das der Fall. Auf der einen Seite machte sich das Bedürfnis nach Beziehung / Bindung bemerkbar, auf der andern Seite das Bedürfnis nach Sicherheit und respektvollem, wertschätzenden Umgang. Zumeist wirken hier sehr alte Muster, die wir aus unserer Herkunftsfamilie übernommen haben. Menschen, die ein ausgeprägtes Bindungs-Bedürfnis entwickelt haben, fällt es häufig schwer eine Beziehung auch dann zu verlassen, wenn sie offensichtlich schädlich für sie ist.
Kopf und Bauch
Bei einer Entscheidung geht es sowohl um Kopf und Bauch, Verstand und Gefühl. Leider fallen beide Instanzen häufig auseinander. Eine Entscheidung wird dann als eine „gute“ Entscheidung erlebt, wenn Verstand und Gefühl dieselbe Antwort liefern. Dies ist ein Prozess und kann dauern, zumal dieser Prozess immer wieder auch neue positive oder negative Impulse aus der Interaktion mit dem Partner erhält. Als Paartherapeut bin ich darum bemüht, das Paar so zu unterstützen, dass es möglichst eine Einheit von Verstand und Gefühl entwickelt.
Praxis-Beispiel II
In meinem Praxis-Beispiel hat es Ingrid deutlich erleichtert, zu verstehen, dass sie nicht nur die Wahlmöglichkeiten zwischen gehen oder bleiben hat. Zu wissen, dass sie sich nicht sofort entscheiden muss, hat sie ebenfalls entspannt. Zusätzlich hat sie von mir den Auftrag bekommen, das Grübeln zu erkennen und zu stoppen. So konnte sie sich letztlich für die Alternative „bleiben und das ändern, was sich ändern lässt“ entscheiden.
Die Entspannung, die sich bei Ingrid einstellte, wirkte positiv auf Klaus, der sich nunmehr akzeptiert und wertgeschätzt fühlte. Dadurch konnte er sich wieder stärker in die Beziehung einbringen. Er war aufmerksamer und liebevoller als in den Monaten vor der Paartherapie. Vieles an Vorwürfen, die er gegenüber Ingrid in der Vergangenheit äußerte, ließ er fallen. In langen Gesprächen haben sich beide über die Situation vor dem Fremdgehen ausgetauscht und kamen zu dem Schluss, einen Neuanfang zu wagen.
Gerne unterstütze ich Sie als Paartherapeut in Köln und Bonn bei Ihrem Anliegen.
Hans-Georg Lauer
Paartherapeut in Köln und Bonn
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