Paare im Stress
- Posted by Hans-Georg Lauer
- On 23. September 2019
- 1 Comments
- Kritisches Lebensereignis, paarbeziehung, Paare im Stress, paartherapeut, Paartherapie, stress, Stressor, stressspirale
Wieviel Stress verträgt unsere Beziehung?
Stress ist ohne Frage einer der wichtigsten Belastungsfaktoren für eine Beziehung. Stress schadet Paaren. Viele Paare, die zu mir in die Paartherapie kommen, leiden nicht unter zu wenig Zuneigung. Es ist vielmehr das äußere Stressgeschehen, das beiden zusetzt und ihre Liebe in Gefahr bringt.
Noch vor 50 Jahren wurde das Wörtchen „Stress“ nur selten verwendet. In der Materialwirtschaft bezeichnete es die physikalischen Kräfte, die auf feste Körper einwirken und diese zur Verformung bringen. Es war der Arzt und Biochemiker Hans Selye, der sich mit dem Stressphänomen intensiv auseinandersetzte und den Stressbegriff in die Medizin / Psychosomatik eingeführt hat.
Was genau ist Stress?
Er tritt immer dann auf, wenn wir eine Diskrepanz zwischen den äußeren Anforderungen einer Situation einerseits und unseren eigenen Bewältigungskompetenzen andererseits erleben. Dabei ist nicht entscheidend, ob uns die Situation „objektiv“ überfordert. Ausreichend ist unsere subjektive Sicht auf die Anforderungen der Situation bzw. auf unsere Kompetenzen, die Situation bewältigen zu können. Stress hat also immer etwas mit Unsicherheit über den Ausgang eines Ereignisses und unserer subjektiven Bewertung zu tun.
Im Allgemeinen ist das Stresserleben umso intensiver, je bedeutsamer es für uns ist, dass wir die jeweilige Anforderung erfolgreich meistern, weil wir so unseren persönlichen Zielen / Pläne einen Schritt näher kommen. Stress bedroht also die Erreichung unserer Ziele / Pläne.
Was uns stresst, die sogenannten Stressoren, kann für jeden Menschen unterschiedlich sein. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Stress aus Leistungsanforderungen (typische Beispiele: Prüfungssituation, Zeitdruck, Abgabedruck für Präsentation, usw.) und sozialem Stress (Konflikte, Isolation und Konkurrenzkämpfe) sowie Stress aus der physikalischen Umwelt (Lärm, Kälte usw. ). Ob uns ein Ereignis stresst und zum Stressor wird, hängt von unserer Persönlichkeit, unserer Biografie, unseren Vorerfahrungen und der aktuellen Grundstimmung ab.
Wie macht sich Stress bemerkbar?
Das Stressgeschehen macht sich auf drei Ebenen bemerkbar:
- auf der körperlichen Ebene (Ausschüttung von Hormonen, die zur körperlichen Aktivierung, Mobilisierung von Energie und Handlungsfähigkeit verhelfen)
- auf der Verhaltensebene (unkoordiniertes Arbeitsverhalten, motorische Unruhe, und darauf aufbauend Betäubungsverhalten, usw.)
- im Denken und Fühlen (Gefühle von Unruhe, Nervosität, Gefühle von Unzufriedenheit, Ängste, Konzentrationsschwäche, usw.)
Wo erleben wir Stress?
Viele Studien zeigen, dass der Stresspegel in unserer Gesellschaft im Allgemeinen und im Wirtschaftsleben im Besonderen über die letzten Jahrzehnte hinweg deutlich zugenommen hat. Oftmals bringt die digitalisierte Arbeitswelt mit ihrer höheren Arbeitsdichte und höheren Anforderungen an unsere Flexibilität auch ein höheres Stresslevel mit sich. Viele Arbeitnehmer wollen oder müssen auch außerhalb der regulären Arbeitszeit für den Arbeitgeber online sein. Die modernen Technologien machen dies möglich. Einerseits sind dadurch Arbeits- und Freizeit-Welt stärker ineinander verschränkt. Andererseits fühlen sich viele Menschen dadurch stärker gehetzt und unter Zeitdruck.
Hinzu kommt der Wunsch nach Karriere, sowohl bei Männern als auch Frauen. Gut ausgebildet wollen sie heutzutage ihrer persönlichen Karriere nachgehen. Hierunter leidet dann aber schnell das Paar- und Familienleben, denn es verbleibt nur noch wenig gemeinsame Zeit.
Kritische Lebensereignisse und Stress
Neben der Arbeitswelt sind es insbesondere die sogenannten „Kritischen Lebensereignisse“, die zu starkem Stressgeschehen führen. Ein Kritisches Lebensereignis ist ein Ereignis, das die Lebenssituation einer Person maßgeblich verändert und zu größeren Maßnahmen der Bewältigung und Anpassung zwingt. Dies können sowohl freudige als auch traurige Ereignisse sein. Hier folgen einige ausgewählte Beispiele:
- Tod eines nahen Angehörigen
- Geburt des ersten Kindes und die ersten Jahre danach
- Eigene Hochzeit
- Kündigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses
- Schwere Erkrankung / Traumatisierung
- Hauskauf in Kombination mit hoher Verschuldung
Stress als Belastung für die Paarbeziehung
Für die Paarbeziehung kann all dies sehr belastend sein. Für den Partner bleibt oft wenig Zeit. Nach meiner Erfahrung kommen immer mehr Paare in meine Paartherapie, die unter dem zunehmenden Arbeitsstress in Kombination mit hausgemachten Stress (Hausbau, hohe Verschuldung, zahlreiche Freizeitaktivitäten, uvm.) leiden.
Bereits vor ca. 20 Jahren konnte der Schweizer Psychologe Guy Bodenmann im Rahmen einer Längsschnittstudie belegen, dass Stress der Paarbeziehung schadet und zu einem höheren Trennungsrisiko führt. Über fünf Jahre hinweg beobachtete er mehr als 1.000 Paare. Er registrierte die Stressoren der Paare und ihre subjektive Zufriedenheit mit der Paarbeziehung. Eindeutiges Ergebnis: chronisch überlastete Paare beurteilen ihre Beziehung deutlich negativer als weniger beanspruchte.
Wieso führt Stress zu Unzufriedenheit in der Beziehung?
Die Erklärung hierfür liegt auf der Hand. Gestresste Menschen sind mehr mit sich selbst und der Bewältigung ihrer Stressreaktion beschäftigt. Damit sind sie aber auch weniger im Kontakt mit dem Partner, der dies dann als distanziert und kühl wahrnimmt.
Viele Studien zeigen des Weiteren, dass gestresste Menschen weniger Empathie aufbringen und sich weniger in den Partner hineinversetzen können. Hierunter leidet beim Partner das Gefühl, verstanden zu werden und Zuneigung zu empfinden, so dass es schneller zu Enttäuschungen und Ärger in der Beziehung kommt. So sind Missverständnisse und Frustgefühle vorprogrammiert. Wenn sich dann ein Partner zurückzieht, kann dies zu weiterem Frust und enttäuschten Gefühlen von Zuneigung führen. Ein negativer, sich selbst verstärkender Kreislauf, eine Stress-Spirale, kann so in Gang kommen.
Häufig erlebe ich in meiner Paartherapie, dass die gestressten Partner später nach Hause kommen, weniger Zeit für die Paarbeziehung haben, es zu vermehrter Müdigkeit und Lustlosigkeit kommt, der Sex nachlässt und die Unzufriedenheit mit der Beziehung steigt.
Ihr persönlicher Stress und ihre Stressreaktion
Um diesen negativen Kreislauf zu stoppen, sollten Sie sich mit Ihrer persönlichen Stress-Situation auseinandersetzen. Lernen Sie Ihre Stressoren kennen, um die Stressspirale rechtzeitig zu durchbrechen und so Ihre Paarbeziehung nicht zu gefährden. Bitte reflektieren Sie sich im Folgenden.
Bei jedem Stressgeschehen geht es darum, drei Aspekte von Stress voneinander zu unterscheiden, um damit wirksame Ansätze zur Stressreduktion zu entwickeln. Bitte nehmen Sie sich etwas Zeit für die nachfolgenden Fragen und beantworten Sie diese möglichst schriftlich:
- Was löst bei mir Stress aus (Auslöser, siehe „Stressoren“ oben)
- Wie reagiere ich, wenn ich im Stress bin (Stress-Reaktion)
- Was tue ich dazu, den Stress zu verstärken (Persönliche Stressverstärker)
Damit haben Sie bereits einen ersten, wichtigen Schritt in Richtung Selbstreflexion unternommen.
Typische Reaktionsmuster / Stress-Reaktion
Wie jeder Partner mit dem Stressgeschehen umgeht, hängt stark von seiner Persönlichkeit, der eigenen Familiengeschichte und den erlernten Verhaltensgewohnheiten der Beteiligten ab. Vielleicht erkennen Sie sich oder Ihren Partner bei den nachfolgenden, beispielhaften Reaktionsmustern:
- Heftiges kritisieren
- Aggressives Verhalten
- Beleidigtes bzw. stilles zurückziehen
- Hilfloses jammern
- Aufopferndes bemuttern
Stress verstärkende Denkmuster:
Über die Zeit hinweg entwickeln viele Paare stressverstärkendes Denken:
- Hadern mit dem Verhalten des Partners: „Das gibt es doch nicht!“ / „Das kann doch nicht wahr sein!“
- Negative Verallgemeinerungen „Nie klappt etwas“ / „Ich bekomme das einfach nicht hin!“
- Alles sehr persönlich nehmen: „Das war gegen mich gerichtet“
- Katastrophendenken: „Wir werden scheitern“ / „Das wird nicht gut enden“
Im Rahmen meiner Paartherapie arbeiten wir an diesen Denkmustern. Als Paartherapeut unterstütze ich Sie dabei, Ihre persönlichen Denkmuster wahrzunehmen und langfristig zu verändern.
Was Sie als Paar tun können
Als Paar sind Sie der Situation nicht machtlos ausgesetzt. Um die Stressspirale zu durchbrechen können Sie:
- Regelmäßig miteinander im Gespräch sein, im Kontakt bleiben trotz Stress
- Auf die Bedürfnisse Ihres Partners achten
- Sich Zeit für gemeinsame Entspannung zu zweit nehmen
- Auch mal Schwäche zeigen und Stress eingestehen
- Den Partner bei der Stressbewältigung unterstützen, z.B. stressige Denkmuster durchbrechen helfen (lesen Sie hierzu auch Mein Partner als Tankstelle oder Baustelle ).
Tauschen Sie sich offen und ehrlich mit Ihrem Partner zum Stress aus. Wenn Sie dieses Gespräch authentisch führen, muss dies keine zusätzliche Belastung für die Beziehung sein. Im Gegenteil. Nutzen Sie Ihren Partner zur Unterstützung. In einer Beziehung dürfen Sie sich auch schwach zeigen.
Sollte der Stress allerdings überhandnehmen oder ihre Stressreaktionen zur Bewältigung nicht ausreichen bzw. nicht angemessen seien, ist es an der Zeit, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen. In meiner Paartherapie lernen Sie, wie Sie Stress erkennen und gemeinsam abbauen können. Ein unabhängiger Dritter kann meist deutlicher erkennen, welche Probleme und Konflikte vorliegen. Nutzen Sie meine Erfahrung als Paartherapeut in Köln und Bonn, um Ihre Stressthemen rechtzeitig anzugehen und die Stressspirale zu durchbrechen.
Hans-Georg Lauer
Paartherapeut in Köln und Bonn
1 Comment