Untreue in Paarbeziehungen
- Posted by Hans-Georg Lauer
- On 20. Mai 2020
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Wie mit einer Affäre umgehen?
Viele Paare, die meine Praxis aufsuchen, haben mit den heftigen Folgen einer Affäre zu kämpfen. Das Fremdgehen des eigenen Partners wird von vielen Paaren als ein emotional sehr aufwühlendes Ereignis erlebt. Es kommt zu endlosen Diskussionen und quälenden Fragen über die Untreue. Emotionale und / oder sexuelle Untreue kann sehr verletzend sein. Das Vertrauen in den untreuen Partner hat oftmals sehr gelitten.
Die meisten Paare haben hinsichtlich ihrer Intimität Exklusivität vereinbart. Sei es ausgesprochen oder unausgesprochen. Wird diese Exklusivität nicht oder nicht mehr respektiert, so ist dies häufig der Anfang vom Ende einer Beziehung.
Eine einstmals wundervolle Beziehung, die mit viel Liebe startete, wird nach einer Affäre von den beteiligten Paaren häufig als gescheitert erlebt. Oftmals plagen den untreuen Partner Selbst-Vorwürfe und eine emotionale Zerrissenheit, insbesondere wenn die Außenbeziehung zu Beginn der Therapie noch nicht beendet wurde. Manche Betrogene wiederum sehen die als Affäre als persönliches Versagen des untreuen Partners. Diesem werden Vorhaltungen gemacht, dem treuen Partner nicht gerecht geworden zu sein und seine Gefühle extrem verletzt zu haben.
Dies alles sind nachvollziehbare Reaktionen. Schnell geht es um Moral und moralische Haltung. Die Paardynamik und die Paargeschichte werden dabei außer Acht gelassen. Sinnvoller ist es, zwischen der psychologischen und der moralischen Ebene zu trennen. Beide Sichtweisen sind wichtig. Deshalb lohnt es sich, beide Ebenen zu betrachten.
Häufigkeit von sexueller Untreue
Untreue und Fremdgehen gab es schon immer und in allen Kulturen, nicht erst im 21. Jahrhundert. Es ist ein universelles Phänomen. Obwohl sich die meisten Erwachsenen für ihre eigene Beziehung sexuelle Treue wünschen, kommt es in ca. 30-40 % der Fälle zu Außenbeziehungen.
Allerdings sind verlässliche, repräsentative Studien zu diesem Thema eher selten. Die Zahlen schwanken und sind abhängig von der Stichprobe, vom Zeitraum der Erhebung bzw. vom jeweiligen Kulturkreis. Entgegen der landläufigen Meinung leisten sich Frauen heutzutage genauso häufig Affären wie Männer, wie aktuelle Studien zeigen.
Offensichtlich gibt es einen eklatanten Widerspruch zwischen dem Wunsch nach sexueller Treue, dem unbedingten Aufrechterhalten der Paar-Loyalität, und dem tatsächlichen Verhalten.
Funktion des Fremdgehens für die Partnerschaft
Da es bislang noch nicht gelungen ist, das Phänomen der Untreue abzuschaffen, spricht vieles dafür, dass eine Affäre eine bestimmte Funktion für die Paarbeziehung erfüllt.
Die Vermutung liegt nahe, Affären resultieren aus einer Unzufriedenheit mit der aktuellen Partnerschaft. Irgendetwas stimmt in der Beziehung nicht und die Lösung wird in einer Affäre gesucht. Das „Ventil“ für die eigene Unzufriedenheit ist die Außenbeziehung. Der Reiz des Neuen vor dem Hintergrund des Bekannten.
Affären können aber müssen kein Symptom für eine nicht funktionierende Partnerschaft sein. Häufig höre ich in meiner Praxis Aussagen wie: „in einer zufriedenen Ehe gibt es doch keine Affäre!“. Die Unzufriedenheit mit der eigenen Partnerschaft kann ein Auslöser sein. Der eine wünscht sich vielleicht einen verständnisvolleren, liebevolleren oder attraktiveren Partner, da die Luft in der aktuellen Beziehungen raus zu sein scheint.
Vielleicht herrschte aber auch Langeweile in der Beziehung. Alles, was zu Anfang spannend und aufregend war, ist einer Gleichförmigkeit gewichen. Ein Partner glaubt, über eine Affäre eine langweilig gewordene Ehe wieder beleben zu können. Dies erweist sich häufig als Trugschluss. Der Verrat an der Loyalität kann zum Bumerang werden und die Beziehung zerbrechen lassen.
Manche Menschen vermissen in ihrer Beziehung die Bestätigung. Was sie sich wünschen, ist eine kleine Geste, ein nettes Gespräch oder eine liebevolle Berührung. Sie fühlen sich in ihrer Beziehung nicht mehr gesehen oder wertgeschätzt. Zumeist gibt es eine Vorgeschichte. Kritische Lebensereignisse, Krisen und Stress spielen eine Rolle.
Wie fühlt sich der betrogene Partner
Der betrogene Partner ist zumeist sehr gekränkt. Er ist in seinem Selbstwert verletzt. Gerade weil er dem Partner/der Partnerin vertraut hat, fühlt er sich jetzt umso mehr getäuscht. Der Schmerz über das erlittene Unrecht sitzt beim Betrogenen tief und seine Empörung ist nachvollziehbar.
Wenig hilfreich für den betrogenen Partner ist es dann, wenn er miterleben muss, wie der untreue Partner die Außenbeziehung leugnet und kleinredet. Das wirkt zumeist wie eine weitere Verletzung und dem Betrogenen fällt es noch schwerer, das mißbrauchte Vertrauen wieder aufzubauen. Es sind oft die berühmten „dummen Zufälle“, die eine Affäre ans Licht bringen und die den treuen Partner empört werden lassen.
So verständlich die Empörung über die Untreue des Partners ist. Sie hilft nach meiner Erfahrung langfristig nicht weiter, wenn das Paar eine gemeinsame Zukunft möchte. Statt moralisch zu urteilen hilft es dem Paar mehr, sich der psychologischen Seite zuzuwenden und zu verstehen, wieso es zur Untreue kam und was die Affäre begünstigt hat.
Weshalb es sich lohnt, näher hinzuschauen
Die Empörung selbst resultiert aus einer Täter-Opfer-Haltung. Auf der einen Seite der „egoistische Täter“, der seinen Partner betrogen hat. Auf der andern Seite das „unschuldige Opfer“, das ahnungslos dem Treiben des Anderen ausgesetzt ist. Diese Haltung ist durchaus nachvollziehbar. Oftmals entspricht sie einer moralischen Bewertung. Die Partner vergessen dabei, dass sie sich in einem „Paar-System“ befinden, wo das Verhalten des einen die Reaktion des anderen und umgekehrt beeinflusst und dass es für die Zukunft des Paares unumgänglich ist, hier näher hinzuschauen.
Wenn das Paar besser verstehen will, wieso es zur Affäre kam, sollten die Partner näher auf ihre Beziehungsgeschichte und auf die vielleicht enttäuschten Bedürfnisse / Wünsche ihrer Paar-Geschichte wechselseitig schauen. Erst aus der Kenntnis der verletzten Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Biografie jedes einzelnen Partners können sich häufig die Hintergründe für eine Affäre erschließen. Dies ist für mich ein wesentliches Element meiner Paartherapie, wenn Paare anlässlich einer Affäre zu mir kommen.
Nutzen Sie folgende Hinweise zum Umgang mit einer Affäre
Leider gibt es beim Thema Untreue zumeist keine einfachen Tipps und Hinweise. Jedes Paar ist besonders und jede Paar-Geschichte ist einmalig. In einer Paartherapie schaue ich mit ihnen auf ihre individuelle Paardynamik. Einige allgemeine Hinweise sind dennoch möglich:
- Eine Affäre muss nicht das Aus für die Beziehung / Liebe bedeuten.
- Bleiben Sie miteinander respektvoll im Gespräch, mit wechselseitigen Vorwürfen kommen Sie nicht weiter.
- Versuchen Sie zu verstehen, was der Affäre vorausging und wieso es zur Affäre gekommen ist.
- Kommen Sie aus der Täter-Opfer-Haltung heraus.
- Überlegen Sie, wie Sie Ihren Partner über die Außenbeziehung beruhigen können bzw. wie es mit der Dreieckskonstellation weitergehen kann.
- Prüfen Sie als Betrogener, ob sie vergeben wollen und wann dafür der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
Dipl.-Psych. Hans-Georg Lauer
Paartherapeut in Köln und Bonn