Was tun, wenn die Vorwürfe überhand nehmen? Vorwürfe und Streit in einer Beziehung
- Posted by Hans-Georg Lauer
- On 8. September 2017
- 2 Comments
- ausloeser, bedürfnisse, konflikt, konflikteskalation, paartherapeut, Paartherapie, schuldzuschreibung, streit, timeline, Vorwürfe
Kennen Sie das Gefühl, wenn Vowürfe und Streit in der Partnerschaft nicht mehr enden wollen? Ihr Partner überhäuft Sie mit Vorwürfen und Sie drehen sich nur noch im Kreise. An ein konstruktives Ergebnis ist nicht zu denken. In meinem heutigen Paartherapie Blog geht es mir um intensive Streit-Dynamiken und darum, was Sie als Paar tun können, um die Vorwürfe zu beenden.
Der Beginn eines Streits kann ganz unscheinbar sein
Der Beginn eines solchen Streits kann ganz unscheinbar sein. Häufig geht es um Kleinigkeiten. Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor. Da moniert der Partner die schlecht eingeräumte Spülmaschine, regt sich über die Fußspuren im Eingangsbereich auf oder kritisiert mal wieder, wie das Bad hinterlassen wurde. Jedes Thema für sich eine Kleinigkeit und schnell zu lösen. In meiner Praxis für Paartherapie erlebe ich immer wieder Paare, bei denen diese Themen regelmäßig eskalieren. In einer ruhigen Minute wissen diese Paare nur zu gut, dass sie sich über lächerliche Kleinigkeiten aufregen. Wenn diese Paare sich an den Beginn ihrer Beziehung zurück erinnern, wird ihnen häufig bewusst, dass es diese Vorwürfe und Streitigkeiten damals nicht gab.
Sich hin und wieder in der Partnerschaft zu streiten, ist nicht dramatisch. Anders sieht es aus, wenn einer oder beide Partner häufig, zumeist nicht vorsätzlich sondern aufgrund eines inneren Antriebes dem anderen mit Vorwürfen begegnen. Dann übernehmen die Vorwürfe eine bestimmte Funktion in der Partnerschaft. Vielleicht stehen die Vorwürfe für verletzte Bedürfnisse, die über „Angriffe“ auf den anderen ausgeglichen werden sollen.
Ein Beispiel aus meiner Paartherapie
So wie es zum Beispiel bei Dirk (53 Jahre) und Claudia S. (48 Jahre) war, die sich nach jahrelangem, intensiven Streit zu mir in die Paartherapie begaben. Sie waren des Streitens müde, die Beziehung litt unter den ständigen Auseinandersetzungen, auch die Kinder fürchteten sich vor ihren Auseinandersetzungen. Ihr Ziel war es, die heftigen Vorwürfe einzustellen und konstruktiv miteinander zu reden. Es war nicht so, als ob sie dies nicht schon in der Vergangenheit selbst versucht hätten. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg.
In der Paartherapie schaute ich mit den beiden hinter die „Streit-Kulisse“. Wir begannen ihre Paar-Beziehung mittels einer „Timeline zur Paargeschichte“ aufzuarbeiten. Den beiden wurde immer deutlicher, was sie jeweils in ihrer Beziehung vermissten.
Dirk hatte aufgrund seiner Herkunftsfamilie eine distanzierte, Nähe vermeidende Beziehungshaltung aufgebaut, während Claudia eine ambivalente Beziehungshaltung entwickelt hatte. Für Dirk konnten die Nähe-Wünsche von Claudia überbordend werden. Er wusste sich dann nicht anders zu helfen, als mit negativen „Du-Botschaften“ zu reagieren. Dies wiederum konnte Claudia in eine traurig wütende Stimmung versetzen, aus der sie nur herauskam, indem sie negative Schuldzuschreibungen in Richtung Dirk entwickelte. Hierauf reagierte Dirk dann mit negativen Verallgemeinerungen wie „Du bist halt immer so…“. Und so setzte sich der Streit in einem positiven Regelkreis fort.
Welches sind die typischen Merkmale für destruktive Kommunikation?
Ich will mich im Folgenden auf die wesentlichen Formen destruktiver Kommunikation beschränken. Gemeinsam ist diesen beispielhaften Vorwürfen, dass der Aussage eines Partners eine verzerrte Wahrnehmung und ein destruktives Gefühl zu Grunde liegen und eine gewisse Konflikt-Eskalation bereits stattgefunden hat.
Beispiele
Negative Verallgemeinerungen und Übertreibungen wie „du nimmst meine Wünsche nie ernst.“ Dahinter steckt zumeist ein tiefer Ärger. Der Partner fühlt sich in einem für ihn wichtigen Bedürfnis nicht ernst genommen und generalisiert diesen Ärger. Mit seiner extremen Position provoziert er geradezu eine destruktive Reaktion seines Partners.
Schuldzuschreibungen wie „du bist Schuld daran, dass…“. Hier wird dem Partner eine größere Verantwortung für das eigene Wohlergehen zugeschrieben als einem selbst. Der Sender dieser Botschaft leugnet die eigene Verantwortung. Er kann sich mit seinem eigenen schlechten Gefühl nur dadurch abfinden, dass er seinen Partner als ursächlich betrachtet. Es geht nicht um Problemlösung sondern darum, einem negativen Gefühl zu entkommen. Diese extreme Position führt beim Empfänger der Botschaft zu entsprechender Frustration und sehr wahrscheinlich zu einer Streitspirale.
Negative Eigenschaftszuschreibungen wie „diese Faulheit ist typisch für dich…“. Anstelle eines konstruktiven Ansatzes, bei dem das störende Verhalten des Partners (z.B. die Küche nicht aufgeräumt zu haben) konkret benannt wird, bezichtigt der Sender den Partner einer bestimmten Eigenschaft „so bist du halt“. Der Sender unternimmt eine unzulässige, negative Generalisierung und Eigenschaftszuschreibung. So kann er vielleicht seinen eigenen Ärger verarbeiten. Dies löst beim Partner tiefe Verletzungen und den Wunsch aus, sich zu verteidigen, wodurch die Streitspirale so richtig in Gang kommt.
Was sind die typischen Ursachen für ständige Vorwürfe?
Liebe und wechselseitige Anerkennung sind die Basis für eine gelingende Paar-Beziehung. Spüren die Partner, dass es an diesen Gefühlen fehlt, so kann es zu Enttäuschungen kommen. Werden diese Enttäuschungen nicht miteinander besprochen, so können sich schnell Frustration und Ärger breit machen
Streitverhalten kann ausgelöst werden durch:
- ein Partner fühlt sich abgelehnt, will mehr Zuneigung und Liebe als der Andere aktuell bereit ist zu geben und sucht (scheinbar paradox) Nähe durch Streitverhalten
- ein oder beide Partner fühlen sich unglücklich in der Beziehung, können dies aber nicht konstruktiv über ihre Wünsche ausdrücken, möchten mit ihrem Unglück nicht allein bleiben und suchen deshalb den Streit
- ein Partner sieht den Streit als Möglichkeit, sich emotional von seinem Partner zu distanzieren, wenn er sich in seiner Unabhängigkeit bedroht sieht und seine Angst vor Nähe bekämpfen will
- ein Partner fühlt sich kontrolliert und geklammert und glaubt sich nur durch Vorwurfsverhalten hiervon befreien zu können
- ein Partner möchte dem Anderen durch seine ständige Kritik und Vorhaltungen seine Meinung aufzwingen.
Sicher gibt es noch weitere Auslöser für eine Vorwurfs-Dynamik. Und diese sind spezifisch für jedes Paar. Im Grunde geht es um verletzte Bedürfnisse. Diese werden in einer nicht adäquaten Form dem Partner zurückgemeldet. Eine konstruktive Lösung und das Äußern von Wünschen finden nicht statt. Das kann in einer Paartherapie / Paarberatung eingeübt werden.
Was können Sie tun, um Streit und Vorwürfe zu beenden?
- Machen Sie sich klar, dass Streiten kein selbstverständliches Verhalten in einer Paarbeziehung ist. Im Gegenteil. Eine destruktive Kommunikation nährt die Beziehung nicht. Sie zerstört sie auf Dauer.
- Entscheiden Sie sich bewusst gegen Streit und Vorwürfe. Kommunizieren Sie ihre Entscheidung mit dem Partner. Suchen Sie eine Paarberatung auf, um gemeinsam eine konstruktive Form der Auseinandersetzung zu erlernen.
- Verabreden Sie mit Ihrem Partner ein Stopp-Zeichen. Jeder von Ihnen kann dieses Signal senden. Ziehen Sie sich dann erst einmal zurück und beruhigen Sie sich emotional.
- Denken Sie an eine Zeit in Ihrer Beziehung zurück, in der es noch keine Streitigkeiten gab. Welches Gefühl herrschte zu diesem Zeitpunkt vor? Wie können Sie an dieses Gefühl anknüpfen?
- Was fühlen Sie heute stattdessen? Woher kommt dieses Gefühl und welches Bedürfnis ist bei Ihnen über die Zeit hinweg verletzt worden?
- Wenn Sie selbst nicht weiterkommen, versuchen Sie mit einem Dritten wie z.B. einem Paartherapeuten herauszufinden, was hinter Ihren verletzten Gefühlen steht.
- Erlernen Sie langfristig, mit negativen Gefühlen umzugehen, sie zu akzeptieren anstatt sie zu bekämpfen.
In meiner Paartherapie erlernen Sie systematisch, wie Sie einen Streit frühzeitig deeskalieren und sich den eigentlichen Ursachen für Ihre verletzten Gefühle zuwenden.
Hans-Georg Lauer
Paartherapeut in Köln und Bonn
2 Comments