Hilfe, wir können nicht mehr miteinander reden! (Teil 2)
- Posted by Hans-Georg Lauer
- On 7. April 2017
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- bedürfnisse, Erwartungen, gefühle, kommunikation, Missverständnis, Paargespräch, paartherapeut, Paartherapie, Vorwürfe, Werte
Konstruktiv miteinander ins Gespräch kommen lässt sich lernen
Für eine gelingende Partnerschaft es nachgewiesenermaßen entscheidend, verstanden zu werden und selbst zu verstehen. Als Paartherapeut höre ich häufiger Klagen wie diese: „Wir reden nicht mehr miteinander, wir können uns einfach nicht mehr verständigen. Die Kommunikation zwischen uns klappt nicht mehr.“
Frustriert über ihre Missverständnisse stellen manche Paare ihre Kommunikation komplett ein: „lieber gar nicht sprechen, dann können wir auch nichts falsch machen.“ Falls doch weiter gesprochen wird, kommt es regelmäßig zum Streit. Und Streit ist für eine gelingende Paarbeziehung kontraproduktiv. Konstruktiv miteinander ins Gespräch zu kommen, lässt sich lernen. Und es ist für Ihre Paarbeziehung absolut lohnend.
Weshalb es sich lohnt, an seinem Gesprächsverhalten zu arbeiten
Wie zahlreiche sozialpsychologische Studien nachweisen konnten, hat das Gesprächsverhalten eine große Vorhersagekraft über das Gelingen oder Scheitern einer Paarbeziehung. Stellvertretend seien hier nur die Paar-Studien von John Gottman genannt. Nach Gottman (er spricht von den vier „apokalyptischen Reitern“: Verletzung, Verachtung, Verleugnung, Rückzug) sind es nicht die Anzahl und Größe der Probleme sondern die Art, wie diese Probleme in einer Paarbeziehung besprochen werden, die Aufschluss über die zukünftigen Chancen einer Paarbeziehung liefern. Da Kommunikation das „Schmiermittel“ für die Lösung von Problemen ist, hören Paare, die nicht mehr miteinander sprechen, auf, an ihren Problemen zu arbeiten. Was also lässt sich tun?
Nicht verstanden zu werden kann eine sehr frustrierende Erfahrung sein
Die Erfahrung, den Partner nicht zu verstehen oder selbst in einer Paarbeziehung nicht verstanden zu werden, kann eine sehr bedrückende sein. Selbst wenn sich beide Partner anstrengen und es anfänglich gut meinen, muss das Ergebnis des Gesprächs nicht gut sein und das frustriert. Gut gemeint ist noch nicht gutgemacht.
Aus der Perspektive des Hörers sollten wir vier Formen des Nichtverstehens differenzieren:
– Ich verstehe nicht, was der andere sagt (akustisches Missverständnis).
– Das, was ich verstanden habe, ist nicht das, was der andere mir sagen wollte (Missverständnis).
– Das, was ich glaube verstanden zu haben, macht für mich keinen Sinn (unterschiedliche Interpretation).
– Mit dem Sinn, den ich dem Gehörten gebe, bin ich nicht einverstanden (andere Meinung).
Neben der Akustik sind es also hauptsächlich unterschiedliche Wissensstände und Erwartungen sowie unterschiedliche Interessen, Werte und Anschauungen, die zu Schwierigkeiten in der Kommunikation führen. Wenn Paare also darüber klagen, dass sie sich nicht verstehen, lohnt es sich hinzuhören, auf welcher Ebene die Probleme liegen. Häufig geht es um unterschiedliche Erwartungen an den Partner und die Partnerschaft.
Typische Vorwürfe und wie sie daherkommen
Wenn ich mir das Kommunikationsverhalten von strittigen Paaren ansehe, so tauchen bestimmte Muster immer wieder auf. Häufig geht es ihnen nicht um die Klärung eines Sachverhaltes. Zumeist machen Sie sich Vorwürfe und Schuldgefühle. Die eigenen Bedürfnisse und Gefühle dagegen werden nicht bemerkt oder verschleiert und nicht geäußert. Beim Partner geht es mehr darum, negative Emotionen auszulösen, ihn für die eigene Situation verantwortlich zu machen. So wird eine Negativspirale in Gang gesetzt. Dann spätestens ist es höchste Zeit, aus den Kommunikationsmustern auszubrechen.
Hier sind einige typische Kommunikationsmuster:
- Du-Botschaften: „Du hörst mir nicht richtig zu.“
- Verallgemeinerungen: „Immer muss ich das ausbaden.“
- Scheinfragen: “Das meinst Du doch nicht etwa wirklich….“
- Schuldzuweisungen: „Du bist schuld, dass..“
- Übertreibungen/Zuschreibungen: „Du warst schon immer unehrlich.“
Kommunikation lässt sich trainieren
Zunächst geht es darum, die eigenen „ Kommunikationsfehler“ aufzudecken und durch ein adäquates Sprachverhalten zu ersetzen. Das verlangt den Willen, das eigene Verhalten zu überprüfen, zu ändern und den anderen wirklich verstehen zu wollen.
Nach meiner Erfahrung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für gelingende Kommunikation das „sich öffnen“. Es setzt Vertrauen voraus und die Bereitschaft, den berühmten, ersten Schritt zu gehen.
Hier folgen meine Hinweise, wenn Sie in der Rolle des „Sprechers“ sind:
- Öffnen Sie sich und seien Sie ehrlich zu sich und Ihrem Partner
- Sprechen Sie mit Ihrem Partner in der „Ich“-Form.
- Sprechen Sie darüber, wie es Ihnen in einer konkreten Situation geht: was erleben und fühlen Sie? Was wollen Sie davon Ihrem Partner mitteilen?
- Vermeiden Sie Verallgemeinerungen wie z.B. nie, immer, jedes Mal etc.
Nutzen Sie folgende Hinweise, wenn Sie in der Rolle des „Hörers“ sind (Technik des „aktiven Zuhörens“):
- Wenden Sie sich Ihrem Partner nonverbal mit Gesten und Blickkontakt zu.
- Lassen Sie das Gehörte vorurteilsfrei auf sich wirken.
- Signalisieren Sie Ihrem Partner durch Zusammenfassungen, was sie von ihm verstanden haben.
- Ermutigen Sie ihn, weiter zu sprechen.
- Stellen Sie Verständnis-Fragen bzw. offene Fragen („wie“ und „was“) und vermeiden Sie die Warum-Frage, damit Ihr Partner sich akzeptiert fühlt.
Das formale Paar-Gespräch
Um das für viele Paare neue Gesprächsverhalten einzuüben, empfehle ich ein „formales“ Paar-Gespräch (Quelle z.B. Michael Lukas Moeller: „Die Wahrheit beginnt zu zweit“). Das Paar nimmt sich hierfür zweimal pro Woche jeweils 10-15 Minuten Zeit. Nicht mehr. Voraussetzung hierfür ist eine ruhige und entspannte Atmosphäre. Einer beginnt in der Rolle des Sprechers. Unter Beachtung der o.g. Hinweise erzählt er von seinen Bedürfnissen und Gefühlen:
– Ich habe beobachtet, dass du…(möglichst konkret beschreiben ohne zu werten)
– Dies hat bei mir ein Gefühl von… ausgelöst
– Mir selbst würde es gut gehen, wenn das Bedürfnis nach … berücksichtigt würde
– Ich bitte dich deshalb um…
Nach der Hälfte der Zeit tauschen die Partner die Rollen. Am Ende der definierten Zeit von ca. 10 Minuten endet das Gespräch.
Diese Übung erscheint vielen Paaren zunächst als künstlich und langweilig. Der Lohn der Mühe stellt sich relativ schnell ein. Zumeist sind meine Paare erstaunt, was sie auf einmal vom anderen verstehen und wie interessant und vielschichtig das Gespräch wird. Wenn Sie anfänglich Schwierigkeiten haben, sich im Gespräch auszudrücken, können sie ihre Gedanken in dem o.g. Schema schriftlich formulieren und wechselseitig Ihrem Partner mitteilen. Nach meiner Erfahrung ist dieser schriftliche Dialog eine sehr wertvolle Übung für viele Paare.
Am Ende meines Blogs möchte ich darauf hinweisen, dass ein Kommunikationstraining nach meiner Erfahrung als Paartherapeut alleine häufig nicht ausreicht. Es ist ein wichtiger Bestandteil der Paartherapie, oftmals eine notwendige aber nicht immer eine hinreichende Voraussetzung für eine gelingende Partnerschaft.
Dipl.-Psych. Hans-Georg Lauer
Paartherapeut in Köln und Bonn