Selbstliebe als Voraussetzung für eine glückliche Beziehung
- Posted by Hans-Georg Lauer
- On 20. Dezember 2020
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- glücksforschung, Nähe und Distanz, paartherapeut, Paartherapie, selbstakzeptanz, Selbstliebe, wertschätzung
Warum Selbstliebe so wichtig für eine gelingende Beziehung ist
Wir alle wollen in unseren Partnerschaften glücklich sein. Das Glück in einer Beziehung zu finden, gibt uns Energie, Zufriedenheit und stimmt uns positiv. Es gilt auch die Umkehrung. Wenn wir glücklich und mit uns selbst im Reinen sind, können wir auch leichter unseren Partner glücklich machen. Wir können so leichter eine glückliche und zufriedene Partnerschaft leben. Nach meiner Erfahrung aus vielen Paarberatungen und Paartherapien ist es ein kluger Ansatz, sich um die eigenen „Glücks-Fähigkeiten“ zu kümmern.
Mittlerweile liegen viele empirische Studien vor, die aufzeigen, welche Persönlichkeitsvariablen und kognitive / kommunikative Fähigkeiten für einen günstigen Partnerschaftsverlauf verantwortlich sind.
Diese Studien zeigen, dass es entgegen der landläufigen Meinung nicht darum geht, wie äußerlich attraktiv die Partner sind bzw. welchen Status sie einnehmen. Sicherlich spielt dies in der Anbahnungsphase einer Paarbeziehung eine nicht unwesentliche Rolle. Nicht jedoch für die Frage, ob daraus eine glückliche, langlebige Beziehung wird.
Über das Gelingen einer Partnerschaft entscheiden andere Variablen. Da spielen emotionale Stabilität / Labilität bzw. soziale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Empathie und Stressbewältigung eine viel größere Rolle neben der Selbstakzeptanz und der Fähigkeit zur Regelung von Nähe und Distanz.
Die nach meiner Erfahrung als Paartherapeut wichtigsten Fähigkeiten für eine gelingende Paarbeziehung sind Selbstliebe und die Fähigkeit zur effektiven Regelung von Nähe / Distanz.
Selbstliebe / Selbstakzeptanz in Paarbeziehungen
Viele wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass Selbstliebe eine ganz wesentliche Voraussetzung für eine gelingende Partnerschaft ist. Mit Selbstakzeptanz ist die Fähigkeit gemeint, sich selbst mit allen Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmalen anzunehmen. Selbstakzeptanz geht oft einher mit niedrigen Neurotizismus Werten. Selbstakzeptanz setzt Selbstbewusstsein voraus. Ich kenne mich und akzeptiere mich so, wie ich bin. Die Kernaussage lautet „ich bin okay, so wie ich bin.“, d.h. ich verspüre nicht den Drang, mich häufig mit anderen vergleichen zu müssen oder bestimmte Teile von mir abzulehnen.
Die Wertschätzung für sich selbst stellt die wesentliche Grundlage für die Selbstliebe dar. Manche Generationen sind noch davon gekennzeichnet, dass sie Probleme mit dem Eigenlob haben. Sie wurden von ihren frühen Bezugspersonen / ihrer Herkunftsfamilie entsprechend geprägt. Sich selbst zu loben, ist ein Verhalten, das in unserer christlich geprägten Kultur nicht immer positiv angesehen wurde. Nicht umsonst heißt es im Sprichwort: „Eigenlob stinkt“. Von daher haben viele Partner keine positiven Erfahrungen mit Wertschätzung / Selbstliebe in ihrer eigenen Erziehung erfahren können.
Es stellt sich die Frage, wie andere mich liebenswert finden sollen, wenn ich mich nicht selbst liebe/akzeptiere. Menschen, die nicht gut mit sich selbst auskommen, wissen manchmal gar nicht, wie wenig liebevoll sie mit sich selbst umgehen, z.B. im alltäglichen Selbstgespräch. Gewöhnlich sind sie mit ihren Aufgaben, Projekten oder anderen Beziehungen zu beschäftigt, als dass sie dies im Alltag spüren könnten.
Wenn sie dann registrieren, wie unzufrieden sie mit sich sind, suchen sie in ihren Beziehungen das Glück und die Zufriedenheit, die sie in der Beziehung zu sich selbst nicht gefunden haben. Der Partner soll die fehlende Selbstliebe ausgleichen. Von ihm wird erwartet, dass er das gibt und für uns empfindet, was wir uns selbst nicht geben konnten. Das allerdings ist eine Überforderung des Partners. Viele Beziehungen scheitern deshalb an mangelnder Selbstliebe.
Regelung von Nähe und Distanz in engen Beziehungen
Am Anfang einer Beziehung steht der Wunsch nach emotionaler Nähe häufig im Vordergrund. Man lernt sich kennen und will dem anderen nahe kommen, d.h. das Erleben und das Lebensgefühl miteinander teilen. Nähe ist Voraussetzung dafür, den anderen besser kennen zu lernen. Ebenso wie für den Aufbau emotionaler Bindung in der Beziehung. Der Wunsch nach Nähe kann so stark werden, dass die Eigenständigkeit der Partner riskiert wird.
Deshalb braucht es auch einen Grad an Autonomie in jeder Beziehung, der beiden ermöglicht, noch sie selbst zu sein. Jeder der Partner muss in der Lage sein, Freiheitsgrade für die eigenen Bedürfnisse zu nutzen. Autonomie zu leben bedeutet, auf sich selbst und die Unterschiedlichkeit zum Partner zu achten. Dies ist nicht mit Egoismus zu verwechseln. Distanz herstellen heißt auch, ein eigenes Leben führen zu können.
Eine Studie der University of Queensland zeigt: Paare mit einer ausgeglichenen Balance zwischen Nähe und Distanz haben weniger Streitthemen und sind dauerhaft glücklicher. Wenn beide Partner über die Fähigkeit zur Regelung von Nähe / Distanz verfügen, sind das gute Voraussetzungen für eine erfüllende Partnerschaft auf Augenhöhe.
Was lernen wir aus den Ergebnissen der „Glücksforschung“
Nach den Ergebnissen vieler Studien zur „Positiven Psychologie“ können Menschen ihr Leben in hohem Maße so gestalten, dass sie sich als glücklich bezeichnen. Das tun sie weitestgehend unabhängig davon, wie die objektiven Lebensumstände sind. Die gute Nachricht dieser Studien ist, dass wir uns diese Fähigkeiten größtenteils aneignen und im Laufe unseres Lebens ausbauen können. Zwar kommen wir mit einer bestimmten Persönlichkeits-Disposition auf die Welt. So sind wir mit unserer Wahrnehmung mehr oder weniger nach außen gekehrt (Introversion versus Extraversion) oder haben ein eher stabiles oder ängstliches Naturell (Neurotizismus). Die Fähigkeit, glücklich zu sein und sich selbst zu akzeptieren, können wir zu einem guten Teil selbst entwickeln und bleiben somit selbstwirksam.
Die amerikanische Psychologie-Professorin Carol Ryff hat sich intensiv damit beschäftigt, welche Fähigkeiten den größten Effekt auf unser Glücks-Empfinden haben. Als eine Vertreterin der Positiven Psychologie ist sie bekannt geworden mit ihren Studien zum psychologischen Wohlbefinden. In einer Studie mit > 1.100 Teilnehmern konnte sie sechs Fähigkeiten ermitteln (Ryff & Singer 2008), die dafür sorgen, dass wir ein „glückliches Leben“ führen.
Sechs Fähigkeiten (u.a. Selbstliebe) für ein glückliches Leben
- Bei der ersten Fähigkeit geht es darum, die alltäglichen Lebensanforderungen gut zu bewältigen.
- Eine weitere Fähigkeit ist eine gute Selbstakzeptanz / Selbstliebe. Wir kennen nicht nur unsere Stärken und Schwächen (Selbsterkenntnis), sondern nehmen uns auch mit diesen komplett an. Umgekehrt gilt: Menschen, die ständig von Selbstzweifeln geplagt sind, können sich weniger auf andere Menschen einlassen.
- Gute und tragfähige Beziehungen / Freundschaften zu anderen Menschen aufzubauen, ist eine weitere wichtige Fähigkeit, um ein glückliches Leben zu führen, die zum Teil mit die Fähigkeit zur Selbstakzeptanz gekoppelt ist.
- Bei der vierten Fähigkeit geht es um unsere Autonomie. Menschen, die sich nicht vom Urteil, den Handlungen oder Entscheidungen anderer abhängig machen, können eher ein glückliches Leben führen.
- Des Weiteren verfügen diese Menschen über die Fähigkeit, ihrem Leben einen nachhaltigen Sinn zu geben.
- Die letzte Fähigkeit betrifft die persönliche Weiterentwicklung. Glückliche Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass in der Lage sind, sich flexibel weiter zu entwickeln.
Zusammenfassend können wir festhalten: diese sechs Fähigkeiten für ein glückliches Leben können wir selbst trainieren. Wer über sie verfügt, wird es leichter haben, sich selbst zu akzeptieren (Selbstliebe) und eine glückliche Beziehung zu führen. Vergleiche hierzu auch meinen Beitrag Fähigkeiten für eine glückliche Beziehung
Der Autor arbeitet als Paartherapeut und Coach in Köln und Bonn (Über den Autor). Nach Studium der Psychologie und Betriebswirtschaftslehre war er als Unternehmensberater und Manager für internationale Unternehmen tätig, zuletzt als Vorstand einer großen diakonischen Einrichtung. Er ist systemisch und psychoanalytisch ausgebildet und widmet sich in erster Linie Fragen der Beziehungsfähigkeit in Paarbeziehungen.
Dipl.-Psych. Dipl.-Kaufmann Hans-Georg Lauer
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